Donnerstag, 8. Oktober 2009

Krankenkassen machen Krankenhaus-Leistungen für Kostenexplosion verantwortlich

Der Schätzerkreis hat geschätzt. Und, oh Überraschung: Es fehlen Milliarden. Legt man das fehlende Geld einmal ganz grob auf jeden Einwohner der Bundesrepublik um, kommt man auf eine Summe von etwa 100 Euro pro Kopf. Da klingt das schon weit weniger dramatisch.

Verfolgt man die öffentliche Diskussion, drängt sich die Frage auf, ob das nicht einfach daran liegt, dass Gesundheit den Einwohnern Deutschlands mehr wert ist als den Krankenkassen. "Es gibt eine wahnsinnige Ausweitung von Leistungen im Krankenhaus", lässt sich ein Insider einer großen Krankenkasse von Spiegel Online zitieren. Und er meint das im Gegensatz zur Pflege nicht positiv. Deswegen verzichtet er sicher auch auf namentliche Nennung.

Eine gute Versorgung im Krankenhaus ist aber leider unverzichtbar und nicht diskutabler Gegenstand eines Leistungsluxus. Patienten haben einen Anspruch auf die bestmögliche Versorgung, sowohl aus pflegerischer als auch aus ärztlicher Sicht. Im Gegensatz zu Krankenkassen schlagen Krankenhäuser nicht die Hände über dem Kopf zusammen und versinken in Selbstmitleid, wenn Budgetknappheit die ohnehin herausfordernde Arbeit zusätzlich belastet.

Die Larmoyanz, mit der die Krankenkassen sich jetzt über Leistung beschweren, ist aus Sicht der Pflege als Profession unerklärlich. Eine gute Gesundheitsversorgung spart Krankenkassen Geld. Sie ist aber auch Geld wert.

Samstag, 29. August 2009

Auch TUIfly kann Gesundheit - sogar ohne Anlass

Gelegentlich drängt es ja auch Pflegende ins Ausland, so zum Beispiel mich gestern nach Istanbul. Seit der Landung bin ich der Überzeugung, dass der Hinflug abenteuerlicher war als alles, was mich in Istanbul erwarten wird. Und das liegt mitnichten an der schlechten Leistung des Piloten oder lostesken Flugturbulenzen. Nein, das liegt daran, dass eine Stewardess offensichtlich lieber Pflegende geworden wäre. Health Care und Gesundheitsassessment - TUIfly machts möglich.

Und das kam so: Kaum hatte ich Platz genommen (im Gegensatz zu den meisten anderen Passagieren), wurde mir mitgeteilt, ich sehe ganz schön blass aus, und ob ich nicht etwas trinken wollte. Ich verneinte. Und ich verneinte auch die nochmalige Nachfrage. Dass Händler auf den Bazaren Beyoglus gerne etwas verkaufen würden, hätte ich erwartet. Aber für Getränke auf dem Flug lasse ich mich nicht über den Tisch ziehen. Dachte ich.

Wir wurden dann nämlich kostenfrei mit Getränken und einem so genannten Snack versorgt. Aufmunternd erklärte mir die Stewardess beim Überreichen einer Cola, dass sie mir gleich noch eine zweite bringen würde, und ich begann, mein Gesicht, von leisen Zweifeln zuckerbestreut, im Widerschein des Fensters zu betrachten. Grün war es nicht, da war es auch noch, und zwar vollständig. Sowohl Übelkeit als auch Leishmaniose waren auszuschließen.

Dann kam meine Vordersitzerin an die Reihe, die nach Bekundung der Stewardess ebenfalls nicht gesund aussah, was sich qua natura meiner Kenntnis entzog. Die wollte ganz gerne noch ein zweites und drittes Becherchen Wasser. Und dann habe ich mich tatsächlich über meine Verkaufs-Paranoia geärgert: Sie bekam sie. Ohne Aufpreis.

Toll dann auch die so genannte "Health care card", die wir eindringlich gebeten wurden, auszufüllen. Es könnte ja sein, dass jemand an Bord die Schweinegrippe hat, und deswegen lässt die Türkei jedem Flugpassagier einen Assessmentbogen ausfüllen. Darin wird dann gefragt, ob man in letzter Zeit mal eine laufende Nase oder Kontakt mit Infizierten hatte. Verschämt griff ich in meine Tasche und tastete nach den Taschentüchern - ich habe nämlich tatsächlich eine leichte Erkältung - und kreuzte dann "nein" an. Zur Sicherheit habe ich auch meine Adresse in der Türkei nicht angegeben.

Das Formular wurde anstandslos entgegen genommen, als ich gerade dabei war, mir die Nase zu schneuzen.

Donnerstag, 13. August 2009

ePetition zur Pflegeausbildung nimmt an Fahrt auf

Seit drei Tagen steht die Petition von Franz Wagner (DBfK) an den Bundestag, die Absenkung des Zugangs-Bildungsniveaus für Pflegeausbildungen zu überarbeiten, zur Unterzeichnung im Internet - und das mit vollem Erfolg: Mehr als 1.500 Unterstützer haben sich bereits eingetragen. Finden sich innerhalb von 3 Wochen 50.000 Mitzeichnende, so kommt es zu einer Anhörung in einer öffentlichen Sitzung des Bundestags.

Auch die Diskussion im öffentlichen Forum hat Schwung aufgenommen. Und offenbaren ein unvollständiges und nicht den wahren Ansprüchen gerecht werdendes Bild, das in der Öffentlichkeit über die Pflege herrscht: "Die besonderen theoretischen Fähigkeiten, die der Petent vom Pflegepersonal hier erwartet "Beurteilung des Pflegebedarfs als Zugangsvoraussetzung zu finanziellen Ressourcen, Sachverständigkeit in Assessmentverfahren und pflegerischer Diagnosestellung und die evidenzbasierte Maßnahmenplanung" scheinen mir die für die Qualität der Pflege aus Sicht des Gepflegten eher nachrangig und daher auch verzichtbar!", schreibt ein anonymer Nutzer des Forums.

Dem entgegen hält jedoch martin_wissing den Vergleich mit dem europäischen Ausland für den Schlüssel zu seiner Unterstützung: "Seit Jahrzehnten wird in Deutschland versucht, die Pflege in Deutschland qualitativ zu verbessern. Viele europäische Nachbarländer sowie wie auch die Vereinigten Staaten fordern ein abgeschlossenes Studium als Grundlage für die Arbeit als Krankenschwester oder -pfleger. Es sind auch eben diese Länder, in denen ein wesentlich höheres Niveau bezüglich der Anwendung neuester pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse vorherrscht. Eben dieser Prozess des Theorie-Praxis-Transfers ist ausgesprochen kompliziert und bedarf besonderer Qualifikationen hinsichtlich der Fähigkeit kognitiven Transferdenkens um wissenschaftliche Neuerungen in die Einrichtungen vor Ort zu bringen."

Auch HardCora spricht aus eigener Erfahrung, wenn sie deutlich macht, dass schon heute viele Auszubildende die hohen Ansprüche einer Pflegeausbildung unterschätzen: "Die Ansprüche die während der Ausbildung an einen gestellt werden sind sehr hoch und auch ich bin seit längerer Zeit intensiv am Lernen um die Prüfung erfolgreich zu absolvieren.
Auch Schüler mit einem 2jährigen Besuch der Sozialpflegeschule sowie der Realschule haben wir im Kurs. Wir haben das Thema im Unterricht vor einigen Tagen diskutiert und diese Schüler haben sehr große Schwierigkeiten die Ausbildung erfolgreich zu beendigen. Viele Schüler ( 8 ) haben in vergangenen Jahren die Klassengemeinschaft aufgrund von zu hohen Ansprüchen den Kurs verlassen müssen!
Ich persönlich glaube das Krankenpflege nicht mit "Jugendlichen", denn nach der 9. Klasse sind Menschen maximal 16 mit dieser Ausbildung zu konfrontieren ist."

Link: ePetition auf der Homepage des Bundestags

Co-Trainer des 1.FC Köln zusammengebrochen

Nicht abreißen wollen derzeit die erschreckenden Meldungen aus dem Profi-Fußball: Wie der kicker auf seiner Homepage meldet, ist der Co-Trainer des 1.FC Köln, Ümit Özat, heute während des Trainings zusammen gebrochen. In einer ersten Stellungnahme sprach der Physiotherapeut der Kölner, Dieter Trzolek, von einem möglichen Kreislaufproblem.

Angesichts der gesundheitlichen Entwicklung des 32jährigen früheren türkischen Nationalspielers eine dezente Untertreibung: Im März war Özat während der Partie beim Karlsruher SC zusammengebrochen. Im Verlauf der folgenden Untersuchungen wurde eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert, wegen der Özat seine aktive Karriere beenden musste. Der 1.FC Köln übernahm damals die Verantwortung für die biographischen Folgen und bot ihm eine Stelle als Co-Trainer an, so dass der ehemalige Kapitän der Kölner Bundesliga-Mannschaft seinem Beruf treu bleiben konnte.

Die medizinische Diagnose steht derzeit noch aus.

Eine pflegerische Diagnose hat unterdessen, ohne es zu wissen, ebenfalls der kicker gestellt. Ob die NANDA sich davon beeindrucken lässt, sei dahin gestellt, jedenfalls hat das Nürnberger Sportmagazin im Zusammenhang mit den Vorfällen von Prince Tagoe von der Diagnose "Sportuntauglichkeit" gesprochen (vgl. Link unten). Auch die TSG Hoffenheim hat in dieser Entwicklung eine Position bezogen, die gesundheitliches Verantwortungsbewusstsein erkennen lässt: "Wir lassen den Jungen nicht hängen", zitiert der kicker den TSG-Manager Jan Schindelmeiser. Auch Trainer Ralf Rangnick erkennt die Verantwortung für die Gesundheit des Spielers: "Über allem steht immer der Mensch. Und wenn es diese klare Diagnose gibt, gibt es darüber nichts zu diskutieren."

Ob der Herbstmeister der vergangenen Saison sich ein Vorbild am Modell des 1.FC Köln nimmt und dem ghanaischen Nationalspieler eine Stelle außerhalb des Fußballplatzes gibt, bleibt abzuwarten.

Link: kicker-Artikel zum Zusammenbruch von Ümit Özat
Link: kicker-Artikel zur Kündigung von Prince Tagoe

Mittwoch, 12. August 2009

TSG Hoffenheim kündigt Fußballspieler wegen gesundheitlicher Probleme

Fußball-Bundesligist TSG Hoffenheim hat dem erst zu Saisonbeginn verpflichteten Prince Tagoe fristlos gekündigt. Begründung hierfür ist nach Angaben der dpa eine zwei Wochen alte Untersuchung, die Herzprobleme zu Tage treten ließ.

Tagoe hatte am 9.Juni einen Dreijahres-Vertrag im Kraichgau unterzeichnet. Der bei einer Verpflichtung obligatorische Medizin-Check des Vereinsarztes hatte keine Schwierigkeiten ergeben. Um so überraschender kommt nun die Kündigung, und um so erschreckender ist die Begründung: auf der Vereinshomepage nennt die TSG Hoffenheim als vorrangigsten Grund nicht etwa die Gesundheit des Spielers, sondern die Befürchtung, dass Tagoe die Spielerlizenz entzogen werden könnte. Lediglich im letzten Satz der Mitteilung verweist die TSG Hoffenheim darauf, auch zum Wohle des Spielers zu handeln.

Der Anwalt von Prince Tagoe, Markus Buchberger, will nach einer Meldung von transfermarkt.de die Kündigung als unwirksam betrachten, da er keine Gefahr für die Spielerlaubnis sieht. Auf eine Gefahr für die Gesundheit des Spielers geht Buchberger nicht ein. Diese in Schutz zu nehmen, ist aber auch nicht Domäne von Anwälten.

Der Verlust der Spiellizenz hätte gravierende Auswirkungen auf die Biographie des 22jährigen, der bereits neun mal das ghanaische Nationaldress getragen und sich frühzeitig auf eine Karriere als Fußball-Profi festgelegt hat.

Link: Meldung auf transfermarkt.de
Link: Meldung auf der Homepage der TSG Hoffenheim

Montag, 10. August 2009

E-Petition gegen die Absenkung des Zugangs-Bildungsniveaus in der Pflege ist online

Gemeinhin wird die Piratenpartei nach wie vor als Spaßpartei wahrgenommen. Dass die virtuelle Community mittlerweile zu einer geballten Macht auch im Bereich der politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung geworden ist, ist jedoch keineswegs albern. Es ist ein begrüßenswertes Zeichen für steigendes Interesse an und einmischen in politische Prozesse. Und dass es funktioniert, zeigt ein unten verlinkter Artikel von Spiegel Online über eine ePetition zum Verbot von Killerspielen.

Dieses Einmischen könnte nun der Pflege zu Gute kommen. Vor wenigen Wochen verabschiedete die Große Koalition im Bundestag eine Änderung des Arzneimittelgesetzes. Als ziemlich bittere Suppenbeilage wurde innerhalb dieses Gesetzes auch die Zugangs-Bildungsvoraussetzung für die Pflegeausbildung abgesenkt. Grundsätzlich soll damit in Zukunft der Hauptschulabschluss genügen, um eine Ausbildung im Pflegebereich zu machen.

Dass diese Maßnahme nicht nur den gesellschaftlichen Status der Pflege gewaltig senkt, sondern am falschen Ende ansetzt, erkannte die Bundesregierung in einer kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg (B90/Grüne) nicht. Dabei lieferte sie in ihrer Antwort die Zahlen, die diese Gesetzesänderung überflüssig machen, selbst mit: Es besteht keine Knappheit an Bewerbern um Ausbildungsplätze - diese können seit dem Beginn der Statistik 1999 auch nach den alten Zugangsvoraussetzungen besetzt werden. Gravierend hingegen ist der Mangel an ausgebildeten Fachkräften, die nachhaltig in ihrem Beruf bleiben. Und dazu trägt eine Öffnung nach unten leider nicht bei. Hierzu ist eine gestiegene Attraktivität des Berufes und die erweiterung der Kompetenzen Pflegender von Nöten. Umgekehrt lastet einer Öffnung für Hauptschüler der schale Beigeschmack des Populismus an, wenn Hauptschüler zwar eine Pflegeausbildung beginnen dürften, aber aufgrund höher qualifizierter Mitbewerber flächendeckend außen vor bleiben.

Schon heute steht Deutschland im europäischen Vergleich der Pflegeausbildungen hintenan: In den meisten Staaten ist eine Ausbildung in der Pflege nur als Hochschulstudium möglich, dann mit einem international gültigen Bachelor-Abschluss verbunden. Das hohe Fachwissen wiederum kommt der Pflegequalität zu Gute, wie europaweite Studien aufzeigen, auf die Frau Scharfenberg in ihrer Anfrage verweist.

Doch noch besteht Hoffnung: Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des DBfK, hat eine Petition zur kritischen Überprüfung und Aufhebung der Gesetzesänderung eingereicht, die seit heute zur Unterzeichnung im Internet steht. Dafür notwendig ist lediglich eine Registrierung auf der Homepage des Bundestags und ein Mausklick als Unterzeichnung.

Sollten sich innerhalb von drei Wochen mindestens 50.000 dieser digitalen Unterschriften unter der Petition finden, so wird es zu einer Anhörung im Bundestag kommen. Wir dürfen also guter Dinge sein, dass aus der hilflosen Gesetzesänderung doch noch eine nachhaltige wird, die sich an europäischen Gegebenheiten orientiert und der Pflege zu mehr Professionalität verhilft.

Link: Spiegel Online-Artikel zur ePetition "Killerspiele"
Link: Registrierung auf der Homepage des Bundestags
Link: e-Petition "Heilhilfsberufe - Absenkung des Zugangs-Bildungsniveaus in Pflegeberufen"

Samstag, 8. August 2009

Pflege in Zeiten der Internet-Cholera

Blogito, ergo sum - Twitter, Facebook und studiVZ machen es möglich. Sinnvolles und weniger Sinnvolles wird innerhalb von Sekunden nicht nur engen Freunden mitgeteilt, sondern so ziemlich jedem, dem man mehr als ein mal im Supermarkt begegnet ist. Schon seit Jahren weisen Datenschützer darauf hin, dass allzu wilde Partyfotos keineswegs nur eine Errungenschaft sind, sondern Bewerbungen in Gefahr bringen können. Ein drastisches Beispiel dafür liefert ein Vorfall aus Schweden.

Eine Pflegende hatte während einer Gehirnoperation Fotos gemacht und auf Facebook veröffentlicht. Daraufhin verlor sie ihren Job. Begründung: "Das hat grundlegende ethische Werte verletzt."

Zweifelsohne: Das trifft zu. Der ICN-Ethikcodex verlangt von Pflegenden, persönliche Informationen vertraulich zu behandeln und verantwortungsvoll mit der Informationsweitergabe umzugehen. Und es gibt wohl wenig sensiblere Daten und Informationen als Fotos von einem Patienten, der auf dem OP-Tisch liegt.

Aber es stellt sich auch die Frage, wie weit diese Verpflichtung zu einer Belastung für Pflegende werden kann. Noch gibt es in Deutschland keine verpflichtende Umsetzung von ethischen Richtlinien in der Pflegepraxis, wie sie z.B. eine Pflegekammer garantieren könnte (und in vielen Ländern bereits garantiert). Sobald dies jedoch der Fall ist, wird darüber auch in Deutschland verstärkt diskutiert werden. Auch für Pflegende stellt sich dann die Frage, wo Privates aufhört und Öffentlichkeit beginnt. Kann ich mich dann nicht mehr mit Freunden über belastende Erfahrungen unterhalten? Muss ich nicht nur Erfahrungen, sondern mein gesamtes Berufsleben aus Facebook raushalten, wenn ich meine Berufszulassung nicht gefährden will?

Dass soziale Netzwerke im Internet längst nicht mehr nur allgemein gehalten sind, zeigt die Entstehung von pflegeVZ. Ähnlich wie studiVZ können Pflegende hier eine Profilseite erstellen, ihre Berufslaufbahn und pflegerische Schwerpunkte angeben und sich mit anderen Pflegenden vernetzen. Und zwar ganz ohne Fotos aus dem OP.

Link: pflegeVZ
Link: Telegraph-Artikel zur Suspendierung